Ironman Portugal

von Jan Roeder

Bevor ich vom eigentlichen Wettkampf berichte, möchte ich an dieser Stelle einige Vorbemerkungen machen.

Corona begleitet uns ja mittlerweile seit März 2020. Als Folge wurde der Wettkampfkalender ziemlich durcheinandergewirbelt. Für das Jahr 2020 hatte ich mich zum Ironman Chattanooga/USA angemeldet. Das Event sollte im September stattfinden, wurde aber im Juli 2020 abgesagt. Um das anstrengende und bekanntermaßen umfangreiche Training für eine Langdistanz nicht ungenutzt verpuffen zu lassen, habe ich dann spontan für den Ironman Portugal in Cascais gemeldet, der wäre im Oktober 2020 gewesen, aber auch dieser Wettkampf wurde kurzfristig abgesagt. Alles ziemlich frustrierend, beide Events konnten aber ins Jahr 2021 verschoben werden. Also alles wieder auf „Los“, und Training nach Plan.

Im Sommer 2021 entspannte sich die Corona-Lage, so dass Wettkämpfe, wenn auch unter bestimmten Auflagen, wieder stattfinden konnten. Mein Trainingsplan war auf September 2021 für den Ironman in Chattanooga/USA ausgerichtet. Leider hat es die US-Regierung nicht ermöglicht, Touristen aus Europa einreisen zu lassen. Umgekehrt durften aber US-Amerikaner ins Land und auch unkompliziert wieder zurück. So sieht Loyalität unter „Freunden“ aus. Zusammengefasst: Der Ironman in Chattanooga fand statt, allerdings ohne Europäer. Ein Wermutstropfen war, dass meine Anmeldung hierfür noch einmal auf das Jahr 2022 verschoben werden konnte.

Blieb also noch die Anmeldung für den Ironman Portugal im Oktober 2021. Da dieses Event ca. 4 Wochen nach dem IM Chattanooga ausgeschrieben war, haben wir den Trainingsplan etwas „gestreckt“, um zum richtigen Zeitpunkt topfit zu sein. Unterkunft und Flüge konnten wir kurzfristig buchen, so reisten wir am Montag dem 18.10., 5 Tage vor dem Start, nach Cascais. Flug, Mietwagen, Unterkunft … alles ohne Probleme.

Das Wetter in Cascais war spürbar milder als in Deutschland, sehr angenehm. Am Tage immer noch 24° und sonnig. Auch die Nachttemperaturen sind nicht unter 18° gefallen, so dass es insgesamt „Wohlfühltemperaturen“ für den Oktober waren. Auch lästigen Wind, welcher uns in Deutschland ja ständig begleitet, gab es nicht, allenfalls ein laues Lüftchen. So sind wir entspannt die Rennwoche angegangen.

Am Dienstag stand noch einmal eine GA1-Rad-Einheit mit GA2-Intervallen auf dem Plan. Die Einheit habe ich in den bergigen Teil der Radstrecke gelegt, auch um zu erkunden, was mich am Sonnabend erwartet. Und es war ziemlich ernüchternd, man beachte das Höhenprofil.

In ungewohnt bergigem Terrain ging es erst einmal 20 km (!!!) stetig bergauf. Im Naturpark Sintra/Cascais kamen dann zur „normalen“ Steigung noch mehrere Rampen mit über 10% Steigung hinzu. Die Kassette musste voll ausgereizt werden, und auch dann ging es nur im Schritttempo hoch. Endlich am höchsten Punkt der Strecke angekommen, offenbarte sich ein Geschwindigkeitsdurchschnitt, der einem vor Frustration die Tränen in die Augen schießen ließ und sich auf der engen verwinkelten Straße während der Abfahrt nicht mehr vollständig ausgleichen ließ. Man musste bremsen und aufmerksam die Ideallinie verfolgen, ansonsten war der „Abflug“ sicher. Highlight im Naturpark waren riesige Findlinge, welche mich zum Anhalten animierten, um ein paar Fotos zu machen. Im Wettkampf nimmt man Derartiges ohnehin nicht wahr.

Während des Rennens bestand im Abfahrtsbereich sogar Extensionsverbot, aus Sicherheitsgründen mussten die Hände an den Bremsen bleiben. Mit diesen Erkenntnissen beendete ich das Training. Unsicher, wie und mit welcher Intensität ich die Bergpassagen fahren sollte, kontaktierte ich noch einmal meinen „Laptop-Trainer“ und wir haben uns auf eine Strategie festgelegt. Die geplante Laufeinheit am Mittwoch war mit 5 km eigentlich nur ein „Lockermachen“, jedoch war ich durch die deutlich höhere Luftfeuchtigkeit schweißgebadet. Auch eine Erkenntnis für den anstehenden Marathon.

Mittwoch stand noch einmal eine Schwimmeinheit auf dem Plan. Es gibt in Cascais mehrere Badestrände. Lange Schwimmeinheiten hielt ich für ziemlich gefährlich, da es in diesen Bereichen von Fischer- und Freizeitbooten nur so wimmelt und ich keine Lust hatte, untergepflügt zu werden.

Da wir im Grunde genommen ja im Urlaub waren und auch die Gegend um Lissabon und Cascais erkunden wollten, sind wir etwas durch die Gegend gefahren und letztendlich in Sesimbra am Atlantik gelandet. Dort war ein sehr schöner langer Sandstrand, ohne Gefahr von herumfahrenden Booten. Die Sonne schien, der Stand war leer, also ab ins Wasser. Das Schwimmen im Atlantik ist anders als im See. Wellengang und Strömungen waren deutlich zu merken, allerdings auch der spürbar bessere Auftrieb durch das Salzwasser. Die Wassertemperatur von ca. 17° empfand ich als grenzwertig, insbesondere mit der Aussicht auf die 3,8 km Strecke im Wettkampf. Damit waren die letzten Trainingsvorbereitungen abgehakt.

Alles weitere war Standard. Empfang der Startunterlagen, Expo, Bike-Checkin … . Die Wettkampfbesprechung war in Englisch und erfolgte online, was ich sehr angenehm empfand, da man die Aufnahme immer wieder abspielen konnte, bis man alles verstanden hatte. Ja, und dann war er da, der Race-Day. Wir hatten uns am Vorabend entschlossen, mit 2 Mieträdern zum Schwimmstart zu fahren. Unsere Unterkunft war ca. 5 km entfernt, es gab umfangreiche Straßensperrungen, so dass die Anfahrt mit Auto und auch die Parkmöglichkeiten äußerst kritisch waren. So radelten wir zum „Umzieh-Areal“, Trainingsklamotten aus, Neo an. Die Wechselsachen konnte man im Umzieh-Areal abgeben (weißer Beutel mit Startnummer an vorgesehenem Haken). Wir waren wie üblich wieder spät dran, da ich unnötige Wartezeiten beim Schwimmstart gern vermeide. Es war ein rollender Start, bei dem alle 4 Sekunden 6 Athleten ins Wasser gelassen wurden. Das Rennen lief schon, als ich mich noch im Umzieh-Areal befand. Aber das machte mich nicht nervös, da mindestens eine halbe Stunde gebraucht wurde, bis alle Athleten im Wasser sind. Auf den Rädern ging es zum ca. 500 m entfernten Schwimmstart, etwa die Hälfte der Sportler war bereits im Wasser. Im Startbereich ging alles sehr gesittet zu, kein Gedränge, alle waren entspannt. Ich schlängelte mich etwas nach vorn, um nicht von ganz hinten zu starten.

Ja, und dann ging es über die Zeitnahmelinie und ab ins Wasser, immer dem Tross hinterher. Leider war die Strecke mit sehr wenig Bojen markiert. Die Farbe der Bojen war rot. Ich merke dies an, weil über 1400 Athleten hier gegen die niedrigstehende, aufgehende Sonne schwammen. Allesamt mit roten (!) Badekappen. Das bedeutete: Leichter Wellengang + aufgehende Sonne von vorn + „platsche/platsche“ der Schwimmer, + rote Badekappen + (zwei !!!) rote Bojen auf 1,8 km … das ergab 0-Orientierung. Blieb also nur, weiter im Tross zu bleiben. Und der Tross schwamm sehr breit. Auf dem Rückweg mit der Sonne von hinten war die Orientierung etwas besser. Aber es blieb dabei, die roten Bojen gingen in dem Meer von roten Badekappen unter. Da waren bei den Organisatoren mal wieder einige „Kreative“ am Werk. Nichtsdestotrotz war nach 1:18 h die Planscherei für mich vorbei, auf der Uhr standen leider nicht 3,8 sondern 4,0 km, also etwas „verschwommen“.

Der Weg zur Wechselzone war lang, mehr als 700 m, aber ich konnte dem etwas Gutes abgewinnen. Da ich zitternd aus dem Wasser kam, wurde mir mit dem Läufchen etwas wärmer. Umgezogen wurde sich in der Wechselzone am Rad, was für Ironman-Veranstaltungen ungewöhnlich ist, da dies normalerweise in Wechselzelten erfolgt. Diese wurden aber wegen Corona „weggespart“. Mir war immer noch kalt, während des Umziehens zitterte ich. Dann ging es endlich aufs Rad, wo ich nach ca. 5 km zur „normalen“ Körpertemperatur fand. Nach ca. 10 km begann der schon erwähnte 20 km lange Anstieg, welchen ich bereits im Training getestet hatte. Immer mit dem Blick auf HF und Leistung kurbelte ich hoch. Als Leistungslimit hatten wir 223 W angesetzt. In Anbetracht der extrem steilen Rampen war dies aber nicht umsetzbar, Leistungsspitzen von deutlich über 400 W ließen sich nicht vermeiden. Die Abfahrt war, wie bereits beschrieben, ebenso steil. Letztendlich war ich froh, aus dem Naturpark wieder raus zu sein. Immer noch auf dem bergigen Areal kamen dann zwar noch ein paar steile Abschnitte, jedoch waren diese zu den vorherigen bestenfalls „Spaß“. Tendenziell ging es weiter bergab, leider auf einer dichtbefahrenen Hauptstraße mit vielen Kreisverkehren. Man hatte die rechte Spur abgesperrt, jedoch war diese schmal, mit Gullideckeln besetzt und hatte teilweise schrabbligen Asphalt. Man war zwar deutlich schneller unterwegs, jedoch war gleichmäßiges konzentriertes Kurbeln nicht möglich. Ein kleines Highlight war ein Abstecher auf den Formel 1–Kurs von Estoril, auf welchem eine Runde gefahren wurde.

Wieder an der Küste angekommen, wurde es mit der Streckenführung noch einmal kniffelig. Vor einem Kreisverkehr musste man sich entscheiden, ob man eine 360° Kehre macht oder geradeaus durchfährt. Bei 360° blieb man auf der angefangenen Runde, bei Durchfahrt fuhr man auf die 2. Runde oder ins Ziel. Ich war zunächst auf der falschen Spur, konnte mich dann aber noch besinnen und blieb auf der angefangenen Runde. Nicht wenige Athleten verhedderten sich hier. Wir haben das nach Zieleinlauf bei den Auswertungen gesehen. Einigen Sportler auf vorderen Plätzen hatten extrem gute Zeiten, jedoch fehlten denen die über 50 km. Folge: Entfernung aus den Ergebnislisten und Disqualifikation. Auf diesen besagten 50 flachen Kilometern war ich in meinem Element. Glatte breite einsehbare Straße, Aeroposition und reinlatschen. Ich kam in einen gewissen Rausch, da mit der Aufholjagt und dem Überholen dutzender Athleten bei mir die Rückmeldung kam: „Du bist gut drauf.“ Entsprechend motiviert ging es in die 2. Runde, bei welcher der extrem hügelige Abschnitt des Naturparkes nicht befahren werden musste. Es waren somit 2 asymmetrische Runden: 1x 103 km und 1x 77 km.

Wieder in der Wechselzone angekommen, realisierte ich, dass noch ziemlich viele Räder fehlten, ich muss also trotz der Radzeit von 5:43 h ganz gut unterwegs gewesen sein. Laufschuhe an und los. Mittlerweile war es ziemlich warm, 23°-24° und sonnig, für den Marathon fast etwas zu warm. Entsprechend stellte ich mich darauf ein, HF im Blick und SF angepasst. Die Laufstrecke war eine Wechselstrecke (7 km hin und 7 km zurück). Anfangs war gleich ein langgestreckter Hügel zu überwinden (2 km hoch und 2 km runter), ansonsten war es weitestgehend flach.

Vorbildlich war die Anzahl und Aufteilung der Verpflegungsstände. Jetzt hieß es nur noch, verletzungsfrei durchzulaufen, leider hatte ich gleich zu Beginn des Laufes Magengrummeln, welches erst nach ca. 2,5 h aufhörte. Die Sonne senkte sich langsam. Ich überschlug die Zeit mit den noch anstehenden Kilometern und musste leider feststellen, dass es mit einem Day-Light-Finish knapp werden würde. Und es stelle sich langsam auch eine gewisse Ermüdung ein, so dass ich an einigen Verpflegungsständen sogar gegangen bin. Überraschenderweise sprang in der letzten der drei zu laufenden Runden bei mir das „Notstromaggregat“ an. Ich fühlte mich zunehmend besser und konnte die letzten Kilometer sogar noch etwas an Pace zulegen.

Mittlerweile war es fast dunkel, durch die südlichere Lage sind die Dämmerungsphasen deutlich kürzer als bei uns. Aber das Ziel nahte und hier hatten sich die Organisatoren Mühe gegeben. Es gab einen Zieleinlaufkanal mit Tribüne, Musik, Bässen und Rumtata … Und dann ertönte die Stimme des Sprechers: „Jan Roeder from Germany … You are an Ironman“.

So euphorisch der Zieleinlauf gewesen ist, so ernüchternd waren dann die folgenden Minuten. Jemand hängte mir die Medaille um, ein anderer drückte mir das Finishershirt in die Hand, danach geleitete man mich an eine Ausgabe für Wasser, Cola und Verpflegungsbeutel … dann kam der Ausgang und man war „draußen“. Mitten im Zuschauergewühl, kein Bereich für Athleten zum Aufenthalt und Zielverpflegung, nix. Doreen hat mich zum Glück gleich abgefangen. Durchgeschwitzt und salzverkrustet sind wir zum Umkleidebereich gegangen, wo ich mir morgens den Neo angezogen und meine Wechselsachen hinterlegt hatte. Wasch- oder Duschmöglichkeiten gab es nicht. Ich sage zwar immer, „ein bisschen stinken gehört dazu“, aber eigentlich geht das gar nicht. Doreen rief die Daten vom Ironman-Server ab, die gelaufene Zeit im Marathon (3:52 h) und die Gesamtplazierung in der AK mit Rang 11 machten mich sehr zufrieden.

Nach dem Umziehen haben wird das Rad geholt, sind zum in der Nähe geparkten Auto gelaufen und anschließend in unsere Unterkunft gefahren. Ja, und damit endete das Ereignis auch schon. Es war ein ziemlich langer Tag mit einem guten Abschluss. Am Sonntag haben wir uns noch den 70.3 – Wettkampf angesehen, der wurde in einem Abwasch mit dem IM gleich am selben Wochenende durchgeführt. Montag fuhren wir in aller Frühe los, Richtung Flughafen Lissabon. Mietwagen abgegeben, eingecheckt und ab ging es. Die Rückreise verlief ohne Probleme, so dass wir gegen Mittag wieder in Magdeburg ankamen.

Fazit: Ein sehr schöner Wettkampf in einer interessanten Location.

Der späte Termin im Kalender ist grenzwertig, aber wir wurden mit einer Woche zusätzlichem Sommer belohnt. Die Generalprobe ist gelungen, ich weiß jetzt, wo ich leistungsmäßig stehe und kann an meinen Schwächen arbeiten. Die darauffolgenden Wochen werden aus Sportfasten und einer Übergangszeit mit leichtem Training bestehen. Anfang nächsten Jahres beginnt ein neuer Trainingsplan mit dem Ziel: Ironman Chattanooga/USA (25.09.2022). Anmeldung steht, Unterkunft ist gebucht … ich werde berichten.

An dieser Stelle ist es Zeit, danke zu sagen. An erster Stelle steht da Doreen (also meine Doreen), die den ganzen Zirkus rund um das fast tägliche Training mitgemacht hat. Dank auch an Oliver Westphal, der als „Laptop-Trainer“ den Trainingsplan erstellt, immer wieder optimiert und mich auf dem Weg zum Ironman begleitet hat. Des Weiteren war die Unterstützung von Thomas Röver sehr hilfreich. Durch seine Erfahrungen als Sportler und Sporttherapeut habe ich von ihm genau die Behandlungen und Massagen bekommen, welche meine Verletzungsanfälligkeit minimierten und die Regeneration beschleunigten. Abschließend natürlich auch Dank an die vielen Freunde, die mich bei Training und Wettkampf mit aufmunternden Worten begleitet haben.

Das war der Bericht von Jan

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