Die „24 Stunden von Schötz“

von Jan Roeder

Der (aus sportlicher Sicht) längste Tag meines Lebens … die „24 Stunden von Schötz“

Ein Bericht von Jan

Jetzt, nachdem die Triathlon-Wettkampfsaison für die meißten von uns vorbei ist, möchte ich von einem Event aus dem MTB-Bereich berichten, den „24 Stunden von Schötz“.

Jetzt fragt man sich natürlich, „wer, wo oder was ist Schötz“. Aber der Reihe nach.

Ich wollte in diesem Jahr neben dem Triathlon mal etwas Anderes machen. Mir schwebte da ein Ausdauerwettbewerb vor, der einer Triathlon-Langdistanz vielleicht noch einen „oben draufsetzt“. Auch beschäftigte mich immer mal wieder die Frage, wo meine persönlichen Grenzen denn so liegen.

Nach einigem Suchen im Internet habe ich im letzten Jahr eine Veranstaltung gefunden, die meinen Vorstellungen entsprach. Es ist ein kleiner regionaler Wettkampf mit einem überschaubaren Starterfeld und rührender, fast familiärer Organisation. Dem „24-Stundenrennen von Schötz“.

Schötz ist eine kleine Gemeinde in der Schweiz im Kanton Luzern und hat ca. 3.300 Einwohner. Der örtliche Radsportclub organisiert seit 24 Jahren dieses Rennen. Und da habe ich mich als Einzelstarter angemeldet. Zusammen mit drei Freunden, welche zugleich als meine Betreuer tätig waren, reisten wir an. Fahrerlagerbox, Stromanschluß, Toiletten, Duschmöglichkeiten, Betreuer- und Zuschauerversorgung und - belustigung … an alles ist gedacht worden.

Nach kurzer Begrüßung und Briefing erfolgte dann um 14.00 Uhr der Startschuß. Ambitionierte Staffelstarter fanden sich bereits eine halbe Stunde vorher ein, und das bei brütender Hitze von ca. 35 °C. Für mich reichte es, daß ich mich eine Minute vor dem Start in den hinteren Block stellte. Denn ich wußte, 24 Stunden sind lang, da kann man getrost auf die Drängelei mit erhöhtem Sturzrisiko verzichten.

Die Strecke war ein Rundkurs von 5 km Länge mit 70 hm. Vom Streckenprofil ist fast alles dabeigewesen: Straße, Schotterweg, Feldweg, Wiese und auch zwei Singeltrails mit anspruchsvollem Verlauf und steilem Anstieg. Technisch gesehen war der Kurs nicht zu unterschätzen. Besonders in der Nacht mußte auf den schmalen Trails, welche förmlich am Bergrand „klebten“, höllisch aufgepaßt werden.

Das Rennen begann in einem hohem Tempo, allen vorweg natürlich die Staffelfahrer. Nach ca. 4 h merkte ich dann, daß ich diese Geschwindigkeit nie bis zum Schluß halten könnte und nahm etwas Tempo raus. Die Zeitnahme erfolgte über Transponderchip und konnte zwischenzeitlich auch life abgerufen werden. Meine Betreuer hielten mich da auf dem laufenden. In der Wertung „Einzelstarter Master“ waren 10 Fahrer an den Start gegangen. Um 18 Uhr lag ich auf Platz 5. Wegen des anfänglich hohen Tempos hatte ich mir da insgeheim eigentlich schon eine bessere Plazierung erhofft … . Also setzte ich jetzt auf die Karte „Kontinuität und nur kurze Stops, keine Pausen“. Das Konzept ging auf. Gegen 20 Uhr lag ich auf Platz 4. Runde um Runde spulte ich ab. Alle 2 Runden wurde die Trinkflasche getauscht und alle 4 Runden nahm ich einen Spezialcocktail zu mir (hochkonzentriertes Kohlenhydratgetränk). Kurz nach Mitternacht öffnete der Himmel seine Schleusen und es schüttete ca. eine Stunde. Ich hatte gerade eine neue Runde begonnen und kam dann völlig durchnäßt und eingesaut in der Box an. Meine Betreuer hatten damit gerechnet und alles vorbereitet. Während ich mich komplett umzog und auf Regen umrüstete, wurden Schutzbleche montiert. Dann ging es wieder hinaus. Aber der Regen hatte auch etwas Gutes. Der lästige Staub auf dem gesamten Kurs war jetzt gebunden, die Strecke wurde auch etwas griffiger.

Gegen 2 Uhr kam dann die Meldung  „ … Du liegst auf Platz 2 …“. In der nächsten Runde kam dann noch eine Detaillierung mit „… 2 Runden hinter dem Ersten und 2 Runden vor dem Dritten …“. Im Laufe der Nacht bin ich noch auf einen Rückstand von „unter einer Runde“ herangekommen, da hatte der Führende wohl eine kleine Pause gemacht. Jedoch war zum Morgengrauen wieder ein Rückstand von 2 Runden vorhanden, welcher dann langsam aber stetig größer wurde. Der Abstand zum Dritten wuchs allerding auch, zeitweise waren es 5 Runden Rückstand. Also ein beruhigendes Polster. Es machte sich dann auch allmählich eine gewisse Erschöpfung bemerkbar. Mit dem Wissen, aus eigener Kraft nicht mehr zum Führenden aufschließen zu können, aber einen großen Vorsprung zum Nachfolgenden zu haben, nahm ich jetzt deutlich das Tempo heraus. Auch wurden die Stops zur Nahrungsaufnahme häufiger. Gegen Ende des Rennens schaute ich dann schon öfter mal zur Uhr, die letzten Stunden zogen sich doch ganz schön lang hin. In der letzten Runde kurz vor 14 Uhr ließ ich mir aber deutlich Zeit, um unmittelbar nach Ablauf der 24 h durch das Ziel zu rollen und das Rennen zu beenden. Es standen dann 79 Runden auf dem Zettel, das machte also insgesamt eine Strecke von 395 km und 5530 hm. Es war ein wirklich schönes Gefühl. Nach der Zieldurchfahrt gratulierten mir wildfremde Menschen, so etwas hatte ich noch nie erlebt. Meine Betreuer erzählten mir, daß bei den anderen Teams und auch bei den Zuschauern die momentanen Plazierungen genau verfolgt worden sind und ich sogar einen kleinen Fanclub hatte, unglaublich.

Und dann kam der große Moment, Siegerehrung in der Einzelwertung Masters, extra für mich in klarem Hochdeutsch. Der Sprecher bemerkte noch, er müsse jetzt in die „Schriftsprache wechseln: „2. Platz: Roeder Jan aus Deutschland, aus Magdeburg … aus dem tiefsten Osten …“. Da muß er sich wohl ausgekannt haben. Ich war zum ersten Mal bei einem richtigen Wettkampf auf dem Podest, und dann auch noch mit einer für mich sehr zufriedenstellenden starken Leistung.

Über die Rennen in Schötz aus den Vorjahren hatte ich mich im Vorfeld informiert. Es sind bei den Einzelfahrern Masters nie mehr als 76 Runden gefahren worden. Nach meinem Selbsttest im vergangenen Jahr  „ … auf dem 66-Seen-Weg rund um Berlin …“ wußte ich, daß ich 24 h durchkurbeln kann und daß 76 Runden a‘ 5 km und 70 hm durchaus zu schaffen sind. 79 Runden sind es dann ja sogar geworden, nur leider war in diesem Jahr ein anderer Sportler noch besser drauf. Zugegeben, ich hatte schon von Anfang an das Treppchen im Visier gehabt und bin letztendlich auch etwas stolz, dieses Ziel erreicht zu haben.

Anbei noch ein paar Worte zu meiner  Bekleidung, der wichtigsten Ausrüstung und Verpflegung:

-          Kurze Radhose mit Gelpolster, Radtrikot mit langen Ärmeln, Beinlinge und Regenjacke

            während der Regenphase

-          29-er Specialized EPIC mit Reifen Specialized “Captain Control 2,0” vorn und Schwalbe

           “Thunderbird 2,1” hinten (beide schlauchlos mit Latexmilch)

-          Helmlampe Piko  4

-          Rücklicht in Miniausführung

-          13,5 Liter Isogetränk von „Body Attack“

-          4 Liter Nahrungskonzentrat (20 Flaschen a 200 ml mit ca. 300 kcal)

Das ereignisreiche Wochenende ist nun vorbei. Was ein paar Tage geblieben ist, sind verspannte Nackenmuskeln, ein wunder Popo und leichte Taubheitsgefühle in den Fingern und Zehen. Was immer bleiben wird ist das Glücksgefühl beim Überfahren der Ziellinie und die Erkenntnis, was mir wirklich beim Ausdauersport liegt: Langstrecken … je länger, um so besser.

Ich habe mein Metier gefunden. Bleibt nur noch die Frage offen: „Wie viele Kilometer braucht man zum glücklich sein?“. Na mal schauen, ich habe da noch ein paar interessante Projekte auf dem Plan.

 

Das war der Bericht von Jan

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