Der 66-Seen-Weg, rund um Berlin … ein Selbsttest für einen „langen Atem“

von Jan Roeder

Vor ca. 2 Monaten hatte ich bei allen Vereinsmitgliedern per Mail angefragt, ob nicht jemand Zeit und Lust für ein Training zu einem 24-h-MTB-Rennen hat. In der „Tour 08/2013“ gab es einen interessanten Bericht über den 66-Seen-Weg, rund um Berlin. Hier hatten zwei Fahrern diese Strecke mit dem Crossrad in 5 Tagesabschnitten abgefahren. Hinsichtlich Streckenlänge und Höhenmeter genau die richtige Tour für ein 24-h-Training als Einzelstarter. Insgesamt erstreckt sich der Weg auf 450 km mit 1750 hm. Ich wollte ein derartiges Unternehmen eigentlich nicht allein durchziehen, da ich keine Erfahrungen zu Nachtfahrten im Gelände hatte. Leider hatte aber niemand so richtig Zeit … .

So plante ich dann die Tour allein. Ausgerüstet mit Verpflegung und Getränken ging es dann mit der Bahn nach Potsdam, Schloß Sanssouci. Der GPS-Track führte direkt durch den Schloßpark, so daß ich unmittelbar nach der Ankunft um 14.00 Uhr am Sonnabend gestartet bin. Bezogen auf die Gesamtstecke  ging es im Uhrzeigersinn um Berlin herum. Nach ein paar Kilometern führte der Weg dann aus der Stadt heraus in sehr sandiges Terrain, der Döberitzer Heide. Es war schwer zu fahren, Sandwege mit regelrechten Sandinseln. Man kommt da einfach nicht auf Geschwindigkeit. Dann nach 2 Stunden ein platter Hinterreifen … kein guter Start. Die Unwetter um Berlin in den Tagen davor hatten in den ausgefahrenen Wegen teilweise riesige Pfützen hinterlassen, wobei eine davon auf Grund der Umgebung nicht zu umgehen war. Also durch und bloß nicht stehenbleiben. Leider war das Ding so tief, daß sich nasse Füße nicht vermeiden ließen. In Anbetracht der Strecke, welche noch vor mir lag, fiel meine Laune in den Keller. Es ging weiter durch das Naturschutzgebiet, was früher mal ein Bombodrom gewesen ist. Sand, Heide, Moore, Wald … und immer wieder Sand. Irgendwann an der Havel wurde es besser, es kamen normale Feld- und Waldwege und auch kleinere Straßen. Aber meiner Planung fuhr ich von Anfang an hinterher. Jetzt war Kontinuität angesagt, um Kilometer zu machen. Verpflegung hatte ich genügend dabei (10 belegte Brötchen). An Getränken führte ich 2,5 l mit, welche ich in den Ortschaften am Track immer wieder auffüllte. Gegen 21 Uhr wurde es dann langsam dämmerig. Ich war jetzt nördlich von Berlin und hatte nach 7 h erst mickrige 100 km geschafft. Aber meine Laune wurde besser, denn die große Hitze des Tages hatte sich etwas gelegt und aus dem schlimmen Sandgebiet war ich raus.

 Ich hatte mir im Vorfeld eine High-Tech-Lampe zugelegt, welche ich jetzt am Helm montierte (Piko  4). Am Rad selbst tat eine einfache Lampe von Tchibo (!) ihren Dienst. Beide Lampen im Einsatz machten die Nacht zum Tage, es war beeindruckend hell. Und dann galt es zu kurbeln, kurbeln, kurbeln. Die Nachtfahrt vollzog sich zu 80% in Waldgebieten mit vielen Wurzelpfaden und Singeltrails. Unglaublich, was das 29-er EPIC alles wegbügelte und mich somit vor Stürzen oder lästigem Absteigen bewahrte. Um 23 Uhr, 02 Uhr und 04 Uhr machte ich Eßpausen. Von Müdigkeit keine Spur, Adrenalin kreiste in meinen Adern. Gegen 4.30 Uhr wurde es wieder langsam hell, in Feld- und Wiesenabschnitten stieg Nebel auf. Allmählich ließ dann auch die Anspannung der Nachtfahrt nach, der neue Tag brach an. Gegen 7.00 Uhr informierte ich meine Madam, daß soweit erst einmal alles in Ordnung ist. Zugegeben, ich hatte nicht hundertprozentig ihren Segen für diese Alleinfahrt in der Nacht. Es folgte jetzt ein landschaftlich sehr abwechslungsreiches Gebiet, immer dicht an den Seen, Flüssen und Kanälen entlang. Ich war jetzt 17 h unterwegs, und langsam machte sich eine gewisse Erschöpfung bemerkbar. Insbesondere schmerzte mein Hintern zunehmend. Jetzt begann eine kritische Phase. Hier war mentale Stärke angesagt, das wußte ich.

Und natürlich wurde die Strecke jetzt anspruchsvoller. Zugewachsene handtuchbreite Singeltrails schlängelten sich nur Zentimeter von Kanaluferkanten entfernt entlang. In den Rauener Bergen westlich von Berlin war es ähnlich wie in den Sohlener Bergen, immer wieder kurze steile Rampen.

Aber ich mußte weiter, weiter, weiter … . Sonnabend und Sonntag waren sehr heiße Tage, was die ganze Sache nicht unbedingt leichter machte. Mittlerweile hatte ich Berlin fast umrundet, ich fuhr schon auf dem südlichen Abschnitt in Richtung Westen. Gegen 14 Uhr, die 24 h waren um, beschloß ich dann, die nächstmögliche Gelegenheit für eine Rückfahrt mit der Bahn zu nutzen. Gegen 15 Uhr erreichte ich das Örtchen Halbe, wo ich dann nach 25 h meine Tour beendete.  Auf dem Tacho standen 320 km und 1200 hm. Reine Fahrzeit waren 23,5 h. Mit dem Zug ging es dann über Berlin wieder nach Hause.

Auf Grund des doch teilweise sehr anspruchsvollen Geländes waren die 450 km der gesamten Strecke für mich an einem Tag einfach nicht zu schaffen. Aber das ist nicht weiter schlimm. Den Test für ein 24 h-Rennen habe ich jedenfalls bestanden. Ich konnte  einen vollen Tag durchkurbeln und habe eine anspruchsvolle  Nachtfahrt ohne Probleme absolviert. Das Rennen steht im nächsten Jahr auf dem Plan, es ist das „24 Stundenrennen von Schötz“ (liegt in der Schweiz). Vielleicht hat der eine oder andere ja Lust bekommen, sich auch so etwas einmal anzutun. Rückinfo dann an mich … .

Anbei noch ein Wort zu meiner  Bekleidung und wichtigsten Ausrüstung:

-          Kurze Radhose mit Beinlingen, Radtrikot mit langen Ärmeln, Leuchtweste bei Nachtfahrt

-          29-er Specialized EPIC mit Rocket-Ron 2,25 vorn und Specialized Renegade 1,95 hinten

-          Topeak Gepäckträger mit Tasche und Topeak Oberrohrtasche

-          Radlampe „Tchibo“ mit wechselbaren Akkus in R6-Größe

-          Helmlampe Piko  4

-          Rücklicht in Miniausführung

-          GPS-Geräte Forerunner 305 und Forerunner 310XT (Akkulaufzeit sonst nicht ausreichend)

-          Trinkrucksack Camelbak (2 l)

-          Radflasche aus Aluminium (1 l, auch für kohlensäurehaltige Getränke geeignet)

-          Biwacksack (falls man doch ungeplant draußen pennen muß)

Fazit: Der 66-Seen-Weg ist hinsichtlich Streckenführung und Landschaft sehr abwechslungsreich und teilweise auch fahrtechnisch anspruchsvoll. Gute Techniker haben sicher mit einem Crossrad Spaß, müssen aber bestimmt das eine und andere Mal öfter absteigen als Fahrer mit dem MTB. Wer die Landschaft noch etwas mehr genießen möchte, sollte 2-3 Tage für die Fahrt einplanen.

Für mich war die Tour ein Highlight in diesem Jahr, ein besonderes Erlebnis. Für Ausdauerfreaks mit Sicherheit eine Empfehlung.

Nachbetrachtung: Zugegebenermaßen ist noch zu bemerken, daß es insgesamt doch ein Kraftakt gewesen ist, physisch und auch mental. Heute, wo ich diese Zeilen schreibe, ist Donnerstag. Es ist der 4. Tag nach der Tour. Erst jetzt kann ich sagen, daß mein Körper sich (fast) vollständig erholt hat und ich wieder mit leichtem Training anfangen kann.

Gestern habe ich mir den kaputten Schlauch von der Reifenpanne angesehen. Es waren insgesamt 4 Löcher drin. In der Döberitzer Heide ging es ca. 3 km durch den Wald. Hier wurde von der Forst ein neuer Weg angelegt bzw. ein vorhandener Trail erweitert. Jedenfalls war auf einer Breite von ca. 3-4 m sämtliches Buschwerk abgefräst, welches auf dieser Schneise dann liegengelassen worden ist. Man mußte zwangsweise rüberfahren, eine alternative Möglichkeit gab es nicht. Im Nachhinein gesehen ist eine Reifenpanne hier schon vorprogrammiert gewesen. Da der Schlauch ohnehin schon mehrfach geflickt war, flog dieser dann in den Müll, gleich zusammen mit dem Reifen. Auch dieser hatte seine Schuldigkeit getan, abgefahren mit mehr als 3.000 km auf den (nur noch zu erahnenden) Stollen. Jetzt ist ein neuer Schlauch unter Racing Ralph, alles wieder gut. Für das nächste Jahr ist aber  wieder schlauchlos angesagt. Von Dornen verursachte Löcher sind dann kein Problem.

Das Bike steht jetzt gewartet und  frisch geputzt für einen neuen Einsatz bereit. Eine Anpassung der Dämpfer muß noch vorgenommen werden (fehlendes Gepäck), und dann kann es wieder losgehen. In diesem Jahr auf dem MTB  dann aber nur noch „normale“ Trainingseinheiten.

Das war der Bericht von Jan

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